In den letzten Monaten gab es mehr und mehr Anfragen zum Thema assoziierte Mitglieder. Schon in 1994 schrieb ich hierzu einen Artikel in der Europäischen Zeitschrift für Wirtschaftsrecht (EuZW), dessen praktische Ergebnisse jetzt einmal aufgearbeitet werden sollten. Auch gibt es eine Art von EWIV-Geschäftsmodell, wo eine sehr kleine EWIV von sehr vielen assoziierten Mitgliedern gesäumt wird; dies bedarf ebenfalls Erläuterungen.
- Assoziierte Mitglieder einer EWIV werden in keiner der Rechtsquellen (EU-Verordnung und Ausführungsgesetze der EU-/EWR-Mitgliedstaaten) erwähnt. Sie existierten nicht für den Gesetzgeber. Erst in der Praxis der ersten gegründeten EWIV ab Mitte 1989 kam angesichts etlicher vor allem schweizerischer Mitglieder der Wunsch auf, sie irgendwie in EWIV unterzubringen. Ab Mitte der 1990er-Jahre wurde dies auch auf von der EU-Kommission organisierten Konferenzen und offiziellen Dokumenten der Kommission erwähnt und somit anerkannt.
- De facto interessiert sich jede dritte EWIV für bzw. hat heute mindestens ein assoziiertes Mitglied. Diese werden nicht im Handelsregister angegeben wie „Normal“-Mitglieder. Ihre Mitgliedschaft beruht auf einem Mitgliederbeschluss sowie einem privatrechtlichen Vertrag über die assoziierte Mitgliedschaft. Dieser muss von der EWIV, also mindestens dem Geschäftsführer, und dem assoziierten Mitglied unterschrieben sein. Er muss nicht einem Notar, der ohnehin nur als Durchlaufstation für registerpflichtige Mitteilungen gilt, vorgelegt werden.
- Ein assoziiertes Mitglied darf nicht rechtsgültig in einer Mitgliederversammlung abstimmen. Insoweit bleibt es ein Mitglied zweiter Klasse. Da aber 99,9% aller Beschlüsse in einer EWIV einstimmig gefasst werden, ist dies in der Regel problemlos. In der EWIV-Praxis werden die assoziierten Mitglieder voll in Abstimmungen einbezogen, ihre Stimmen werden jedoch als „indikative“ Stimmen betrachtet und dann eben im Sitzungsprotokoll gesondert genannt. „Indikative“ Stimmen sind Stimmen, die angezeigt, aber nicht gezählt werden.
- Dafür haften assoziierte Mitglieder nicht für Verpflichtungen der EWIV nach außen, also gegenüber Dritten. Es sei denn, sie treten im o.g. Vertrag oder sonst wie der gesamtschuldnerischen Haftung der EWIV-Mitglieder bei, und zwar nur im Innenverhältnis – sie müssen dies aber nicht.
- Assoziierte Mitglieder können – müssen aber nicht – ansonsten im gesamten wirtschaftlichen Bereich der EWIV mitwirken.
- Problematisch bei Finanzbehörden wird es dann, wenn z. B. größere Geldbeträge bei assoziierten Mitgliedern in Drittländern (die also nicht zur EU gehören), die dann auch noch mit dem Inhaber eines maßgeblichen EWIV-Mitglieds verbunden sein können, geparkt werden, oder wenn sie an diese bezahlt werden ohne nachvollziehbare Gegenleistung (z. B. mit einer Rechnung für „Beratung“ ohne weitere nachvollziehbare Angaben). Dies kann durchaus ein Verfahren wegen – mindestens – missbräuchlicher Steuergestaltung mit sich bringen.
- In unseren EWIV-Verträgen befindet sich in der Regel in etwa der am Schluss dieses Beitrags folgende Artikel, falls die EWIV assoziierte Mitglieder haben und dies nicht ausschließen will.
- Woher kommen assoziierte Mitglieder in der Regel? Zunächst aus Drittländern, wie Schweiz, jetzt auch Großbritannien (seit 1.1.2021 kann es keine Mitglieder von dort in EWIV geben – etliche Handelsregister weisen dies jedoch noch auf), Indien, Dubai, Kanada, USA usw. In den ersten Jahren der EWIV war dies so üblich und auch beabsichtigt. Erst in der letzten Zeit gibt es einen Run assoziierter Mitglieder auf EWIV, die in der EU, oder im Sitzstaat der EWIV, leben. Wir kennen einen Fall, wo eine EWIV in jüngster Zeit in Stuttgart gegründet wurde, die sich einem sehr umstrittenen Schneeballmodell zur Neumitgliedergewinnung widmet. Es wird Sache der Staatsanwaltschaft sein, hierüber zu befinden. Kern ist eine EWIV mit der 21jährigen Tochter des spiritus rector, mit zwei Mitgliedern, einer UG mit 500 EUR Stammkapital in Stuttgart sowie einer Personalbörse in Innsbruck, die in einem Büroservice sitzt, ebenfalls Inhaber: die Tochter, von der weder besondere kaufmännische noch personalwirtschaftliche Kenntnisse bekannt sind. Diese EWIV hat etliche assoziierte Mitglieder, die fünfstellige Beträge an die EWIV zahlen sollen, von denen sie kleinere, vierstellige Beträge zurück bekommen, wenn sie neue Mitglieder werben. Es ist durchaus möglich, dass dies einmal als missbräuchliche Steuergestaltung, wenn nicht mehr, qualifiziert wird. In jedem Fall sollte man sich als assoziiertes Mitglied von einer solchen EWIV fernhalten.
- Wenn jedoch eine EWIV z. B. regenerative Energie bearbeitet und z. B. einen Investor mit einer kleinen Kommune in Deutschland zusammenbringt, die etwa ein Feld für Solar-Panels für einen Anteil am Erlös und sonst nichts weiter anbietet, ist durchaus denkbar, die Kommune als assoziiertes Mitglied aufzunehmen. In diesem Fall kann dies evtl. eine Sache der laufenden Verwaltung sein, wenn ein entsprechend „lockerer“ Vertrag hierzu aufgesetzt wird, damit nicht ein EWIV-Geschäftsführer einem Gemeinderat eine EWIV erklären muss …
- Was im Übrigen in einem Assoziationsvertrag enthalten sein sollte? Dies obliegt der Vertragsfreiheit. Im Grunde genommen kann ein solcher Vertrag auch ohne Papier geschlossen werden, nur ist das überhaupt nicht ratsam. Ein formloser, nur mündlicher Vertrag würde ohne Zweifel eine genauere Betriebsprüfung des Finanzamts mit sich bringen. Ein schriftlicher Vertrag kann aus zwei, drei Sätzen bestehen, aber auch aus einem koloraturmäßigen, mehrseitigem Gebilde, wie es der Unterzeichner einmal für die Assoziation eines russischen Körperschaft für eine europäische Forschungs-EWIV machen musste. Bei üblichen Assoziationsverträgen sollten beide Seiten vorher sagen, was sie wollen, und was nicht.
- So gesehen, können assoziierte Mitglieder insbesondere aus Drittländern ein belebendes Element für EWIV sein, das durchaus eine EWIV mit der Welt außerhalb der EU/des EWR verbindet.
Und hier ist der o. g. Paragraph eines EWIV-Gründungsvertrags, der sich ausgezeichnet bewährt hat:
§ … Tätigkeit assoziierter Mitglieder
1 Die EWIV kann assoziierte Mitglieder nach Maßgabe des § … [Anm.: gemeint ist der Paragraph, in dem steht, dass neue EWIV-Mitglieder nur aufgrund einstimmigem Beschluss der Mitgliederversammlung aufgenommen werden können, so wie es auch die EWIV-VO unabdingbar vorsieht] aufnehmen, die innerhalb der EU bzw. des Europäischen Wirtschaftsraums sowie in Drittländern ihren Sitz haben können. Hierzu genügt ein privatrechtlicher Vertrag zwischen der EWIV und dem assoziierten Mitglied. Diese assoziierten Mitglieder werden nicht im Handelsregister aufgeführt und haben kein Stimmrecht in der Mitgliederversammlung, wenn nicht anders im Rahmen der rechtlichen Normen beschlossen; Ihre Stimmen sollen als indikative Stimmen separat in Protokollen festgehalten werden. Sie sind nicht gegenüber Dritten für die Verpflichtungen der EWIV haftbar.
2 Ein assoziiertes Mitglied kann im Innenverhältnis für alle Verpflichtungen der EWIV im Ausgleich der gesamtschuldnerischen Haftung eintreten, wenn es sich im Beitrittsvertrag oder einer anderen Vereinbarung (z. B. projektbezogene Zahlung oder Zahlung laufender Kosten oder Beiträge usw.) hierzu verpflichtet.
3 Assoziierte Mitglieder werden so weit als möglich in nichtdiskriminierender Weise einbezogen. Wenn ein Nicht-EU-Mitgliedsstaat, aus dem ein assoziiertes Mitglied kommt, nach dem Zustandekommen dieses EWIV-Vertrags EU-Mitgliedsstaat werden sollte, würde die assoziierte Mitgliedschaft ab diesem Datum in eine normale Mitgliedschaft umgewandelt werden, ohne dass es einer neuen Abstimmung über dieses Mitglied bedarf. Das Gleiche gilt, wenn ein EU- bzw. EWR-Sitzstaat eines Mitglieds die Europäische Union bzw. den EWR verlassen sollte, im umgekehrten Sinne.
Hans-Jürgen Zahorka